Die Wüstung Hugenworbis

Texte nach W.Timpel, Ph. Knieb und U.Eichner; Fotos U.Eichner und Günter Müller 1986-1995
Die Wüstung Hugenworbis

 Hergerichtete Überreste von Hugenworbis, Foto U.Eichner 1995
Die Dorfstelle Hugenworbis lag ziemlich in der Mitte zwischen Breitenworbis und Ascherode, etwa 2 km nordöstlich von Breitenworbis aus gesehen, nicht weit von der mitteralterlichen Harburg entfernt.
Die Feldlage heißt heute noch Hugenworbiser Land. Frühere Bezeichnungen waren Sinnborn oder auch Auf dem Kirchhof und boten schon seit längerer Zeit Anlaß für Vemutungen und Sagen.
 
Im Mai 1985 begannen Rettungsgrabungen, da durch den geplanten Bau eines Wasserspeichers für den angrenzenden Molbach die Gefahr der Überschwemmung des überwiegenden Teils der Siedlung bestand. Die archäölogischen Untersuchungen zogen sich über mehrere Jahre hin, wobei die Hauptarbeiten 1989 beendet waren.
 
Nach den gefundenen Scherben und einem bronzenen Sichelbruchstück zu urteilen, begann die älteste Besiedlung des Tales in der frühen Eisenzeit. Eine Verbindung zu der nur 1,5km entfernten Wallburg auf dem Kley kann vermutet werden. Die Entstehung des Dorfes wird archäologisch mit wellenverzierter Keramik aus dem 9. bis 10. Jahrhundert nachweisbar. Kugelbodenscherben aus dem 10. bis 11.Jahrhundert und Irdenware aus dem 13. bis 14. Jahrhundert geben Hinweise auf die Ausdehnung und die Dauer der Besiedlung. Da glasierte Keramik aus dem 15. und 16.Jahrhundert nur in sehr geringer Menge gefunden wurde, bestand das Dorf in dieser Zeit wohl nicht mehr in vollem Umfang.
 
Grundmauern, freigelegt 1986  Ausgrabungen Mai 1986
Historiker vermuten, daß der ältere Ort im Zusammenhang mit der Harburg gesehen werden muß und nach deren Zerstörung im Jahre 1165 verlassen wurde. Der teilweise ausgegrabene Hofkomplex wurde im 13.Jahrhundert erbaut. Dazu gehört ein leicht eingetieftes Haus mit 4,20m x 5m Grundriß, dessen Fundament mit Bruchsteinen gesetzt war.
 
Grundmaern eines Hauses    Bruchsteinfundament, Foto 1986
 
Daß ehemals ein Fachwerkaufbau vorhanden war, zeigt eine dicke Schicht von rotgebranntem Lehm mit Flechtwerkabdrücken. Im Eingang an der Südwestecke , welcher nach außen durch zwei vorgezogene Mauern geschützt wurde, konnte eine verkohlte Holzschwelle freigelegt werden. Im Inneren wurden Reste eines Ofens mit zahlreichen rundbodigen Topfkacheln gefunden.
Brunnen    Brunnen, Foto 1986
 
Ein 2m tiefer Brunnen konnte freigelegt werden. Im unteren Teil befanden sich Holzreste. Der Brunnen, verschiedene Siedlungsgruben und Pfostenverfärbungen lassen sich mit der Siedlungsphase des 10. bis 11.Jh. verbinden.
Bestattungsplatz    Bestattungsplatz, Foto 1986
 
30m nordwestlich des Siedlungsbereiches am Rand des Auf dem Kirchhofe genannten Geländes wurde der Bestattungsplatz der Siedlung ausgrabungstechnisch angeschnitten.
Körpergrab    Körpergrab, Foto 1986
 
Im Brustbereich des Skelettes lagen kleine Bronzeringe - wahrscheinlich Überreste einer Kette.

 
In unmittelbarer Nähe des Baches wurde anhand einer auslaufenden Torfschicht und eines Seekreidehorizontes der Rand eines ehemaligen Sees ermittelt. Senkrecht in den Boden eingeschlagene Pfosten stammen von einer ehemaligen Uferbefestigung. Große bearbeitete, teils angekohlte Holzbalken mit Eckverbindungen zeugen von einem Gebäude am Rand des Gewässers, vor dem es mit einem Wassergraben geschützt war.
Flechtwerk    Flechtwerk, Foto 1986
 
Öffentliche Führung durch den Archäologen Wolfgang Timpel am 2.Oktober 1986, 16 Uhr
 
Die beidseitig glatt mit Lehm bestrichene 4,5m hohe Flechtwand war -teilweise angebrannt- in den See gestürzt und hatte sich durch die Einwirkung der Feuchtigkeit ausgezeichnet erhalten.
 
In der Uferzone lag eine größere Menge Keramik, darunter fast vollständig erhaltene Gefäße inklusive eines rotbemalten Miniaturgefäßes sog. Pingsdorfer Art (westliche Importkeramik).
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Urkundliche Erwähnungen des jüngeren Ortes liegen von 1357 und 1358 vor. Im Jahre 1549 werden zwei dem Vorwerk Hugenworbis dinestpflichtige Höfe, der Weiden- und der Polmannshof, erwähnt.
Nach alten Lehensbriefen mußte den Herren v.Bültzingslöwen der Tezmann, ein Fruchtzins, geleistet werden. Laut Jurisdictionalbuch von 1675 waren dem Vorwerk Frohndienste in Form von Pflug- und Handdiensten zu erbringen.
Diese Dienste wurden nach dem Verkauf des Vorwerks zur Reformationszeit in Geld umgemünzt. Ein bäuerlicher Ackerdienst von 4 Tagen Pflügen mit dem Pferd war 1 fl 4 Schneeberger wert. Statt 4 Tagen Handdienst mußten 8 Schneeberger entrichtet werden. Das Vorwerk ging im 17.Jahrhundert ein und die Bewohner zogen nach Breitenworbis. Das Land (das sogenannte Herrenfeld) wurde verkauft und das Amt mit dem zu Worbis vereinigt, wohin auch die Amtsschäferei mit 400 Schafen kam.

 
Mit der Zerstörung von Hugenworbis im Bauernkrieg hängt wohl auch die Sage vom Glockenloch zusammen. In diesem Loch sollen damals die Glocken von Hugenworbis versenkt worden sein. Von den aufrührerischen Bauern ist bekannt, daß sie alles Wertvolle, so auch Glocken, mit nach Mühlhausen schleppten. Ähnliche Sagen finden sich auch an anderen Orten wie z.B. Niederorschel und Geismar. Oft wird damit eine Sau in Verbindung gebracht, welche die Glocken herausgewühlt hat.
 
Gedenkstein Hugenworbis    Gedenkstein Hugenworbis, 1995
 
Aufstellung: Sommer 1995
 
Inschriften:
Archäologische Grabungen 1985-1989
Dorfstelle Hugenworbis
Erste Erwähnung 1268
Aufgegeben im 14.JH.
 
  Philipp Knieb: Eichsfelder Dorfchroniken; herausgegeben von M.Pinkert, A.Montag und A.Sieland, Eichsfeld Verlag 2001
Wolfgang Timpel: Wüstungen im Eichsfeld unter besonderer Berücksichtigung der Wüstung Hugenworbis; in: Haus und Museum Gülden Kreuz Worbis, Mecke Druck und Verlag Duderstadt 1992
 
  Frühgeschichtliche Exposition im Haus Gülden Creutz Worbis
externer Link: Internet-Seite (auf www.worbis.de)